Naumburg - Ihr letztes Spiel vor dem aktuellen Lockdown bestritten die Handballmänner von Drittliga-Aufsteiger HC Burgenland am 1. November bei den Mecklenburger Stieren in Schwerin. Mit 31:35 ging diese Partie für die Gäste verloren. Das HCB-Team steht mit 3:7 Punkten auf Rang elf in der Nord-Ost-Staffel. Der Re-Start des Meisterschaftsbetriebs steht in den Sternen. Mit dem Coach der Burgenländer, Steffen Baumgart, sprach unser Redakteur Torsten Kühl.
Erklären Sie uns bitte mal die aktuelle Situation beim HCB: Wird derzeit trainiert und - wenn ja - in welchem Umfang?
Steffen Baumgart: Wir trainieren weiterhin - so wie uns das von der Landesregierung erlaubt worden ist - in zwei Gruppen mit jeweils sieben Spielern und einem Coach in der Sporthalle in Plotha. Unsere in Leipzig wohnenden Akteure haben wir in die eine Gruppe gepackt, in der anderen sind diejenigen, die hier in der Region zu Hause sind, sowie Marcel Popa. Wir versuchen, dass jede Gruppe zweimal pro Woche trainiert. Die eine oder andere Einheit musste allerdings schon ausfallen. Und wir hatten bei einem Training auch schon Besuch von der Polizei, die zu acht in Vollmontur angerückt war.
Und warum?
Da hatte sich offenbar ein Anwohner beschwert. Es ist aber auch derzeit schwierig, und ich kann das ein Stück weit nachvollziehen. Die Unsicherheit in der Bevölkerung ist groß und zum Teil hausgemacht. Es war mit den Beamten aber ein sachliches Gespräch. Nachdem wir eine Erlaubnis für das Training nachweisen konnten, weil wir ja in einer als Profi-Spielklasse eingeordneten Liga aktiv sind, und nachdem unsere Personalien aufgenommen worden waren, zogen die Polizisten wieder von dannen.
Ist die Saison 2020/21 noch in irgendeiner Form zu retten?
Der Deutsche Handballbund hat ja scheinbar immer noch Hoffnung, dass das Spieljahr mit einer der beiden auf der letzten Videokonferenz mit den Vereinen besprochenen Szenarien fortgeführt werden kann. Entweder ab März unter einem enormen finanziellen und organisatorischen Aufwand mit Corona-Tests vor jedem Training und vor jeder Auswärtsfahrt sowie beim Aussteigen aus dem Bus - also fünf Tests pro Woche, ohne überhaupt gespielt zu haben. Das halte ich für völlig realitätsfremd. Oder mit Variante zwei, bei der die Teams, die sich das leisten können und wollen, eine Relegationsrunde um den Aufstieg zur 2. Bundesliga spielen, während alle anderen Mannschaften nicht absteigen. Aber selbst das wird schwierig.
Ich bin für einen sofortigen Abbruch und die Annullierung der Saison. Vor allem auch vor dem Hintergrund, wenn man sieht, worauf die Menschen in diesem Land zurzeit alles verzichten müssen. Man hätte das derzeit unterbrochene Spieljahr schon viel früher abbrechen müssen, damit die Vereine Planungssicherheit in Vorbereitung auf die kommende Saison erhalten. Sie hätten die Zeit effektiv nutzen können, zum Beispiel für die Kaderplanung. Dadurch sind meiner Ansicht nach ein, zwei Monate verloren gegangen. So werden wir weiter von Woche zu Woche vertröstet.
Wie müsste aus Ihrer Sicht das kommende Spieljahr angegangen werden, um eine möglichst hohe Chancengleichheit unter den Drittligisten zu erreichen?
Man könnte tatsächlich, wie es bereits in den DHB-Gremien diskutiert wird, schon Anfang August beginnen und noch in der warmen Jahreszeit eine Vorrunde mit kleineren Staffeln, in der man sich für Play-offs und Play-downs, also für eine Aufstiegs- oder eine Abstiegsrunde, qualifiziert, durchführen. Für uns würde ich mir eine Staffel, die von Berlin beziehungsweise Oranienburg, wenn man die aktuelle Nord-Ost-Staffel betrachtet, sowie vielleicht von Randgebieten in Niedersachsen oder gar Bayreuth, das ebenfalls noch einigermaßen gut zu erreichen ist, begrenzt wird. So behielten wir die Derbys gegen Anhalt Bernburg oder den SC Magdeburg II. Das wäre für mich eine faire und gut umsetzbare Lösung, mit der ich mich anfreunden könnte.
Wie gehen Sie denn persönlich mit der derzeitigen Zwangspause um?
Der große Vorteil ist, dass man natürlich mehr Zeit für die Familie hat. Erst jetzt, in dieser besonderen Situation, merkt man erst einmal, was für ein Pensum man vorher - in sogenannten normalen Zeiten - hatte. Man fragt sich, wie man das leisten konnte, denn oft war man zeitlich voll am Limit. Was mich derzeit am meisten nervt, ist die Unsicherheit. Es gibt kaum Möglichkeiten, uns im Verein und in dessen Umfeld weiter zu professionalisieren, was dringend nötig ist. Da brauchen wir neue Strukturen. Wir können zum Beispiel auch nicht loslegen und den Kader für die kommende Saison final abschließen, wenn wir nicht wissen, wie und wann es weitergeht in unserer Liga.
Nicht nur für die Nachwuchshandballer - für die sicher besonders -, auch für erwachsene Spieler ist es coronabedingt eine sehr schwierige Situation. Was geht denn in dieser langen Pause alles verloren?
Für die Kinder und Jugendlichen, aber auch für junge Spieler im Frauen- und Männerbereich ist es in ihrer Entwicklung ein verlorenes Jahr. Für ältere Akteure ist das vielleicht nicht das ganz große Problem. Durch die aktuell fehlende Belastung können sie womöglich ein Jahr länger spielen als geplant. Allerdings: Wer ohnehin kurz vor dem Karriereende steht, hört vielleicht sofort auf. Generell ist man als Mensch mit der aktuellen Situation einigermaßen überfordert, finde ich.
Ihr Team konnte den Gewinn der Meisterschaft in der Mitteldeutschen Oberliga nicht angemessen feiern, und auch dem Abenteuer 3. Liga fehlte bislang der Zauber, ohne Spiele vor großem Publikum. Was denken Sie: Kann man solche Emotionen vielleicht auf irgendeine Weise nachholen?
Das kann man eigentlich nicht. Diese Erlebnisse nach einem gewonnenen Spiel, mit dem man den Aufstieg perfekt gemacht hat, sind natürlich viel schöner, als wenn man - wie in unserem Fall - Meister nach einem Saisonabbruch wird. Und das Gefühl, mit Euphorie als Aufsteiger in die neue Saison zu gehen, ist auch ein bisschen verpufft in den wenigen Spielen mit kaum beziehungsweise gar keinen Zuschauern. Aber vielleicht ist es für uns auch ein Vorteil, dass wir in diesen fünf ausgetragenen Partien schon erste Erfahrungen in der dritten Liga sammeln konnten. Dies kann uns helfen, uns neu zu justieren, bestimmte Entscheidungen in der Zukunft anders zu treffen.
Wie planen Sie die kommende Saison? Stand jetzt werden Sie dann ja noch immer ein Drittligist sein.
Davon gehe ich auch aus. Wie es unser Präsident Uwe Gering jüngst im Tageblatt/MZ-Interview gesagt hat, wollen wir routinierte Spieler wie Florian Pfeifer sehr gern halten, zugleich unseren Kader aber verjüngen. Daran arbeitet unsere Vereinsführung gerade intensiv.
Wie beurteilen Sie das Abschneiden der deutschen Männer-Nationalmannschaft bei der WM in Ägypten?
Ich finde, die Weltmeisterschaft war in dieser Form eine Farce. Erst habe ich sie boykottiert, aber dann habe ich mir doch die deutschen und einige andere Spiele angeschaut. Kritisieren muss man die hohe Erwartungshaltung in unserem Land. Es war doch klar, dass es mit diesem Aufgebot so laufen wird, wie es dann auch gelaufen ist. Das sind alles sehr gute Bundesligaspieler, aber deren Klasse reicht im internationalen Vergleich nicht. Und nichts gegen Alfred Gislason, er ist ein herausragender Coach. Was mich jedoch aufregt, ist, dass jetzt von Verbandsseite alles schöngeredet wird, während vorher unter dem Bundestrainer Christian Prokop alles schlecht gewesen sein soll.
Quelle:
Naumburger Tageblatt/MZ
Foto: Gering
Ausgabe vom 04.02.21
zum Artikel